Georg Wiegandt & Söhne: Automaten-Pioniere aus Berlin

Mit innovativer Technik, robustem Design und einem feinen Gespür für Alltagsbedürfnisse wurden ihre Geräte zu Ikonen des Wirtschaftswunders. Ein Blick zurück auf ein Unternehmen, das deutsche Technikgeschichte schrieb – und heute Sammlerherzen höherschlagen lässt.

Früher Warenautomat von Wiegandt & Söhne
Früher Warenautomat von Georg Wiegandt & Söhne

Die Firma Georg Wiegandt & Söhne aus Berlin prägte nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend die Automatenbranche in Deutschland. Als Hersteller von Warenautomaten, Musikboxen und Hygienegeräten trug das Unternehmen maßgeblich zum Komfort und zur Bequemlichkeit des Alltags der Bundesrepublik bei.

Insbesondere in den 1950er- und 1960er-Jahren, während des sogenannten Wirtschafts­wunders, etablierten sich die Geräte von Wiegandt als Symbole für Modernisierung und technischen Fortschritt.

Nach dem Kriegsende gewann die Nachfrage nach Warenautomaten zur Selbstbedienung rasch an Bedeutung. Bereits ab 1949 begann Georg Wiegandt & Söhne damit, Automaten zu entwickeln und zu produzieren, welche Hygieneartikel, Tabakwaren und Lebensmittel anboten.

In Berlin waren die Wiegandt-Werke in den frühen 1950er-Jahren ein wichtiger Bestandteil der aufstrebenden Automatenindustrie, die im Rahmen der Währungsreform und des wirtschaftlichen Aufschwungs florierte.

Die genaue Gründungszeit lässt sich nicht lückenlos dokumentieren, doch die kontinuierliche Produktion und mehrere Patentanmeldungen weisen darauf hin, dass das Unternehmen Ende der 1940er Jahre entstand.

Ein Zigaretten-Automat aus Berliner Produktion
Ein Zigaretten-Automat aus Berliner Produktion

Produktpalette und technische Innovationen

Parfüm- und Hygieneautomaten

Eines der bekanntesten Modelle von Georg Wiegandt & Söhne war der Parfümautomat „Kölnisch Wasser“, der 1953 auf den Markt kam. Dieser Automat war vor allem in öffentlichen WC-Anlagen von Gaststätten zu finden und bot Parfümproben für einen geringen Preis an.

Automat Kölnisch Wasser mit Münzeinwurf, Köln, Baujahr 1962. Dieses Exemplar wurde am 2. November 2024 für 450€ bei Pari in Aschaffenburg versteigert. Damit wurde der Schätzpreis, der zwischen 300 und 350€ lag, übertroffen.
Automat Kölnisch Wasser mit Münzeinwurf, Köln, Baujahr 1962. Dieses Exemplar wurde am 2. November 2024 für 450€ bei Pari in Aschaffenburg versteigert. Damit wurde der Schätzpreis, der zwischen 300 und 350€ lag, übertroffen. (Bild: Pari Auktionen)
Dieses Exemplar in weniger gutem Zustand und ohne Schlüssel, wurde am Montag, den 2. Juni 2025 bei "Bares für Rares" für 220€ versteigert. Experte Sven Deutschmanek hatte den Apparat zuvor auf 300 bis 400€ geschätzt. (Screenshot: ZDF)
Dieses Exemplar in weniger gutem Zustand und ohne Schlüssel, wurde am Montag, den 2. Juni 2025 bei „Bares für Rares“ für 220€ versteigert. Experte Sven Deutschmanek hatte den Apparat zuvor auf 300 bis 400€ geschätzt. (Screenshot: ZDF)

Der Automat verfügte über ein robustes Stahlblechgehäuse, wurde außen in Altweiß mit blauer Schrift gestaltet und arbeitete mechanisch mit Hebeln und Zahnrädern, um durch einen Münzeinwurf direkt den Sprühnebel des Parfüms auszulösen.

Daneben baute Wiegandt auch Kondomautomaten wie das Modell „Amor“, welches typischerweise mit einem horizontal angeordneten Mechanismus arbeitete und Hygieneprodukte in öffentlichen Einrichtungen bereitstellte.

Süßwaren- und Schreibwarenautomaten

Ein weiteres erfolgreiches Produkt war der Süßwarenautomat „VIVIL“, der die beliebten Bonbons anbot. Auch hier kam die bewährte Mechanik zum Einsatz: Der Kunde warf eine oder mehrere Münzen ein, wählte das gewünschte Produkt und erhielt es unmittelbar danach aus einem Fach.

Vivil-Automat (1956): Dieses Exemplar wurde 2020 in Friedrichsdorf für 1.100€ versteigert.
Vivil-Automat (1956): Dieses Exemplar wurde 2020 in Friedrichsdorf für 1.100€ versteigert. (Bild: Micky Waue)

Ergänzt wurde das Sortiment u.a. durch einen Kugelschreiber-Automaten, der Schreibgeräte in Diskotheken, Restaurants und Wartezimmern verkaufte. Die Geräte zeichneten sich durch solide Verarbeitung und vergleichsweise geringe Wartungs­kosten aus, was sie sowohl für Betreiber als auch für Endkunden attraktiv machte.

Musikboxen und Jukeboxen

Abgesehen von Warenautomaten fertigte Georg Wiegandt & Söhne auch Musikboxen, unter anderem das bekannte Modell „Tonmaster“, das in den 1950er-Jahren in vielen Bars und Lokalen zu finden war. Bis etwa 1960 wurden Patente für Musikboxen noch unter dem Namen Georg Wiegandt & Söhne angemeldet.

Zwei deutsche Legenden: Hans Albers (rechts) und, im Vordergrund, die "Wiegandt 40" im Film "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins"
Zwei deutsche Legenden: Hans Albers (rechts) und, im Vordergrund, die „Wiegandt 40“ im Film „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ (Screenshot)

Ab diesem Zeitpunkt erfolgte die Produktion unter dem Label DWS (Deutsche Wiegandt Systeme) Antik AutomatenAlte Automaten. Im September 1960 gab das Unternehmen offiziell das Ende der Musikbox-Produktion bekannt, wobei restliche Lagerbestände noch einige Zeit weiter­vermarktet wurden.

Wirtschaftswunder und Marktposition

Die 1950er- und 1960er-Jahre markierten für Deutschland eine Phase rapide steilen Wachstums. Automaten wurden zum Symbol des Fortschritts, da sie Konsumenten eine neue Form der Selbstbedienung ermöglichten und gleichzeitig den technologischen Vorsprung deutscher Ingenieurskunst unterstrichen.

Innerhalb dieses Kontextes behauptete sich die Firma Georg Wiegandt & Söhne gegen Mitbewerber wie Th. Bergmann & Co. (Hamburg) oder Günter Wulff Apparatebau (Berlin), indem sie ein breit gefächertes Produktprogramm anbot und auf hohe Qualität setzte.


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Geräte wie der „Storck-Riesen“–Süßwarenautomat und der „Diplomat 120“ erweiterten das Portfolio, sodass Wiegandt-Automaten in nahezu jeder Branche Einzug hielten – von Diskotheken bis zu Bahnhöfen.

Bis 1962 firmierte das Unternehmen unter dem Namen Georg Wiegandt KG mit Sitz in der Hagenstraße 5, 14193 Berlin; ein Eintrag im Handelsregister wies die Fortexistenz der Firma nach, wenngleich sie in aktuellen Telefonverzeichnissen nicht mehr aufgeführt war.

Im Zuge der Umstrukturierung der Automatenproduktion trat das Label DWS immer stärker hervor, während die ursprünglichen Werkshallen in Berlin nach und nach aufgegeben oder für die Montage von Restbeständen genutzt wurden.

Dr. Hillers-Automat: Im November 2024 erzielte das Gerät 500€ bei einer Versteigerung.
Dr. Hillers-Automat: Im November 2024 erzielte das Gerät 500€ bei einer Versteigerung. (Bild: Wormser Reklame-Auktion)

Die Wiegandt-Automaten zeichneten sich durch eine robuste Bauweise aus verzinktem Stahlblech aus. Farbgebung und Beschriftung orientierten sich an den damaligen Standards: Altweiß- und Blautöne dominierten, ergänzt durch metallische Akzente bei Sondereditionen wie der Silber/Blauen Tonmaster.

Mechanisch arbeiteten die Automaten mit Hebel-, Zahnrad- und Feder­systemen, sodass sie auch ohne Elektronik zuverlässig funktionierten. Münzprüfer waren präzise justiert, um Falschgeld auszuschließen.

Herausforderungen und Niedergang

Trotz innovativer Produkte hatte Georg Wiegandt & Söhne mit mehreren Herausforderungen zu kämpfen. Die wachsende Konkurrenz durch mittelständische und internationale Automatenbauer setzte das Unternehmen zunehmend unter Kostendruck.

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Zudem führte die Berlin-Blockade (1948/49) zu logistischen Engpässen, weshalb Ersatzteillieferungen phasenweise über Partner in München abgewickelt wurden Antik Automaten. 1960 endete die Produktion der Musikboxen, was den Verlust eines wichtigen Marktsegments bedeutete.

In den frühen 1960er-Jahren zeichnete sich schließlich ab, dass sich das Unternehmen unter dem Namen Georg Wiegandt & Söhne unzureichend modernisierte, sodass man vermehrt auf das DWS-Label setzte, bis die alte Firma nahezu in der Versenkung verschwand.

Heute begehrte Sammelobjekte

Heutzutage gilt Georg Wiegandt & Söhne als eine der prägenden Marken der Deutschen Automaten­geschichte. Exponate wie der Parfümautomat „Kölnisch Wasser“ (1953) oder der Amor-Kondomautomat werden in Museen wie dem Deutschen Automatenmuseum ausgestellt und erzielen bei Auktionen rege Aufmerksamkeit.

PEZ-Automat (1964)
PEZ-Automat (1964)

Im Sammlerkreis der Jukebox-Liebhaber finden insbesondere die Tonmaster- und Diplomat 120-Modelle großen Zulauf, da sie technische Raffinesse und nostalgische Ästhetik in sich vereinen.

Obwohl Georg Wiegandt & Söhne als eigenständiger Hersteller nicht mehr aktiv ist, lebt das Erbe so in Form von restaurierten Automaten in Museen und privaten Sammlungen weiter. Die Geräte stehen beispielhaft für eine Epoche, in der Innovation und pragmatisches Ingenieurwesen in Deutschland eng miteinander verwoben waren.

So bleibt das Vermächtnis von Wiegandt ein wichtiger Baustein der deutschen Wirtschafts- und Technikgeschichte.


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