Plakatkunst: Emanzipation durch Gestaltung

Bis zum 16. Februar 2025 im Museum Wiesbaden

Die Plakatgestalter der Hochphase der Deutschen Plakatkunst nutzten das Motiv der Frau facettenreich für die Reklame. Die neue Ausstellung ‚Plakatfrauen. Frauenplakate‘ im Museum Wiesbaden rückt nicht nur Frauen, die auf Plakaten in Erscheinung treten, sondern auch grafische Entwerferinnen und deren neues Selbstbewusstsein in den Fokus.

In dichter Hängung, angelehnt an die Plakatierung auf Litfaßsäulen und Plakatwänden werden 70 Jugendstilplakate gezeigt (Alle Fotos: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Auf rund 80 qm, zeigt die Ausstellung bis zum 16. Februar 2025 – in dichter Hängung, angelehnt an die Plakatierung auf Litfaßsäulen und Plakatwänden – 70 Jugendstilplakate aus der Privatsammlung Maximilian Karagöz. Anfang 2024 wurde die Jugendstilsammlung F. W. Neess um eine dauerhafte Präsentation von Jugendstilplakaten im Treppenhaus des Südflügels erweitert.

Stereotype weibliche Rollenbilder

Das Plakat zählte Ende des 19. Jahrhunderts zu den wichtigsten Medien der visuellen Kommunikation. Dabei dienten den überwiegend männlichen Gestaltern stereotype weibliche Rollenbilder, von der perfekten Hausfrau und liebenden Mutter bis hin zur aufreizenden Femme Fatale, als beliebtestes Werbemotiv.

Plakate in der Hochphase der Deutschen Plakatkunst (1900–1921) setzten verschiedene Konzepte des Weiblichen gekonnt in Szene und vermittelten erwünschte soziale Verhaltensweisen, Freiräume aber auch die Grenzen dieser in der Gesellschaft.

Walter Schnackenberg, Lena Amsel, 1918. Druck: Kunstanstalt Oscar Conseé, München. Plakatsammlung Maximilian Karagöz © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Die Wiesbadener Ausstellung zeigt aber auch auf, dass professionelle Plakatgestalterinnen sich schon um die Jahrhundertwende im männlich dominierten Berufsfeld behaupteten. Sie stellt Plakate, die von Frauen entworfen wurden in den Mittelpunkt und belegt, dass Frauen bereits in einer Zeit als professionelle Plakatgestalterinnen tätig waren, in der sie noch stark mit Vorurteilen zu kämpfen hatten.

Die vertretenen Künstlerinnen

Die Künstlerinnen der Ausstellung Änne Koken (1885–1919), Wera von Bartels (1886–1922), Rosa Bruntsch (Lebensdaten nicht bekannt), Käthe Kollwitz (1867–1945), Anna von Wahl (1861–1938), Margarethe Friedlaender (1896–1985), Dora Brandenburg-Polster (1884–1958), Clara Ehmcke (1869–1918), Frieda Weinberg-Röhl (1887–1955), Lina von Schauroth (1874–1970) und Dore Mönkemeyer-Corty (1890–1970) zählen zu den damals und heute kaum bekannten Gestalterinnen.

Änne Koken, Appels Delikatessen überall gegessen, um 1913. Plakatsammlung Maximilian Karagöz

Die Entwürfe von Grafikerinnen zeigen das wachsende Selbstbewusstsein von Frauen, sich von sich von kunsthandwerklichen Unikaten ebenso wie von kleinen Formaten verabschiedeten und stattdessen mit großformatigen und in hoher Auflage reproduzierbaren Plakaten an die Öffentlichkeit traten: Emanzipation durch Plakatgestaltung.

Mit der Unterstützung des Wiesbadener Sammlers Maximilian Karagöz kann unser Haus neben den Plakaten der Sammlung Neess nun auch deutsche Reklameplakatkunst des Jugendstils vorstellen,“ dankt Museumsdirektor Andreas Henning. Mit der Ausstellung wird der Geist der städtischen Straßen um in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts ins Museum gebracht. Die Schau soll verdeutlichen, dass es bereits um 1900 herausragende Gestalterinnen gab, die heute in Vergessenheit geraten sind. Die Schau stellt aber auch berühmte Plakatgestalter der Jahrhundertwende vor.

Besonderer Fokus auf Ludwig Hohlwein

Ein besonderer Fokus liegt auf dem Wiesbadener Plakatgestalter Ludwig Hohlwein (1874–1949), der einst mit seinen innovativen Plakatentwürfen für Furore sorgte, bevor er in den 1930er Jahren Aufträge für das Nazi-Regime annahm und sein visuelles Erscheinungsbild prägte.

‚Plakatfrauen. Frauenplakate‘ zeigt sowohl die Anfänge der Plakatkunst, als auch die Zeit der Industrialisierung, die nicht nur durch patriarchalische Strukturen, sondern auch durch kolonialistische Expansion geprägt war. Somit soll auch der Diskurs um kolonial geprägte Inhalte vorangetrieben werden.

Ernst Deutsch-Dryden, Salamander, 1912. Druckwerkstatt unbekannt, Plakatsammlung Maximilian Karagöz

Mit der Präsentation von Jugendstilplakaten zeigen wir eine weitere wichtige Facette innerhalb unseres Sammlungsschwerpunktes Jugendstil. Das „Museum der Straße“ findet nun einen Platz im Museum,“ betont Kurator Peter Forster.

Die Ausstellung wurde gemeinsam vom Museum Wiesbaden und von der Co-Kuratorin Prof. Dr. Petra Eisele vom Designlabor Gutenberg der Hochschule Mainz konzipiert. Sie ist verantwortlich für das Forschungsprojekt UN/SEEN zu Grafikerinnen in der Zeit von 1865 bis 1919, welches die Ausstellung mit inhaltlichen Anregungen unterstützte.

Ausstellungskatalog & Kontaktinfos

Zur Ausstellung ‚Plakatfrauen. Frauenplakate‚ ist der gleichnamige Katalog (herausgegeben von Peter Forster für das Museum Wiesbaden) beim Deutschen Kunstverlag 2024 erschienen (128 Seiten, 20 € an der Museumskasse, ISBN 978–3–422–80259–9).

MUSEUM WIESBADEN
Hessisches Landesmuseum für Kunst & Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2
65185 Wiesbaden
Tel.: 0611 ⁄ 335 2250
museum[at]museum-wiesbaden.de
https://museum-wiesbaden.de/


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