Chlorodont: Mit Pfefferminz und Karos zur globalen Marke

Im Jahr 1865 in den sanften Hügeln des Erzgebirges geboren, ahnte Ottomar von Mayenburg wohl kaum, dass er einmal den Zahnputzgewohnheiten ganzer Generationen neue Formen geben würde. Dieser Pionier der Zahnhygiene, ausgebildet an der Universität Leipzig und späterer Betreiber der Löwen-Apotheke in Dresden, trat im Jahr 1907 die entscheidende Reise an: die Entwicklung und Vermarktung seiner Zahnpasta „Chlorodont“.

Ottomar von Mayenburg
(1865-1932)

Es war nicht nur seine Rezeptur, die Chlorodont zum Erfolg führte, sondern eine ebenso innovative wie prägende Marketingstrategie. Von Mayenburg verstand früh, dass eine gute Idee ohne kluge Werbung nur halb so weit trägt – und so schrieb er mit seiner Werbestrategie ein Stück deutscher Marketinggeschichte.

Als von Mayenburg 1907 begann, seine Zahnpasta selbst in Tuben abzufüllen, gab er ihr den Namen „Chlorodont“ und benannte den Herstellungsbetrieb „Laboratorium Leo“.

Bereits zwei Jahre später wurde die Produktion professionalisiert und ausgeweitet. Die Zahnpasta bestand aus Bimssteinpulver, Calciumcarbonat, Seife, Glycerin, Kaliumchlorat und wurde mit Pfefferminze aromatisiert.

1932 schon 27 Niederlassungen europaweit

Mit einer Goldmedaille bei der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden im Jahr 1911 stieg Chlorodont endgültig in die Riege der angesehenen Markenprodukte auf. Doch von Mayenburg ruhte sich nicht auf den Lorbeeren aus – er erkannte, dass eine gut platzierte und unverwechselbare Marke das Rückgrat jedes Konsumguts ist.

Die Leo-Werke um 1920 (Anzeigen-Detail)

Von Mayenburg investierte konsequent in die visuelle Identität von Chlorodont. Die markante Umrahmung aus grünen und blauen, etwas länglichen, Karos, wurde zum sofort erkennbaren Symbol der Marke und trug Chlorodonts Namen nicht nur als Verpackung sondern auch mittels Sammelkarten in Haushalte auf der ganzen Welt.

1917 arbeiteten in den Leo-Werken sechzig Menschen. Doch in den Folgejahren expandierte das Unternehmen sehr schnell, binnen weniger Jahre, zum größten Zahnpflegemittelhersteller in Europa. 1932 zählte der Betrieb über 1000 Beschäftigte in nicht weniger als 27 Niederlassungen im In- und Ausland, in ganz Europa und sogar in Hongkong und Buenos Aires.

Die legendäre „Chlorodont-Frau“

Durch diese charakteristische Gestaltung schuf er nicht nur ein Markenzeichen, sondern auch ein Gefühl von Verlässlichkeit und Eleganz. Eine hauseigene Werbeabteilung entwickelte eine Sprache, die von visuellem Ausdruck und Raffinesse geprägt war.

Im Zentrum dieser Werbung stand die ikonische „Chlorodont-Frau“. Sie symbolisierte eine neue Ära des Markenmarketings, in der Produkte emotional aufgeladen und durch starke Bildsprache beworben wurden. Die „Chlorodont-Frau“ – eine Dame mit schneeweißen Zähnen, elegantem, in Pelz gehülltem Hals und einem kecken roten Hut, auf dem „Chlorodont“ prangte – wurde zum Sinnbild für Reinheit, Luxus und Gesundheit.

Ein Emailplakat mit der legendären „Chlorodont Frau“. Dieses Exemplar wurde auf eBay.de zum Verkauf angeboten und erzielte im November 2024 ein Höchstgebot von 8.050€.

Solche Motive wurden in großflächigen Plakaten, in Zeitungen, als Blech- und Emailschilder, auf Lieferfahrzeugen und sogar auf Straßenbahnen verbreitet und verliehen der Marke eine unverwechselbare Präsenz im öffentlichen Raum.

Von Mayenburgs Marketingstrategie brachte Chlorodont zu einer Zeit in die Häuser der Deutschen, als Mundhygieneprodukte für viele noch eine Neuheit waren. Unterstützt durch die breite Werbepräsenz und eine erhöhte Nachfrage trotz des Ersten Weltkriegs, expandierte das Unternehmen kontinuierlich.

Bis zu 150.000 Tuben pro Tag

Auf dem Höhepunkt seiner Produktion produzierte das „Laboratorium Leo“, inzwischen in die Leo-Werke A.G. umgewandelt, bis zu 150.000 Tuben Chlorodont pro Tag – eine Zahl, die von der Innovationskraft und Effizienz der Produktionstechnik zeugte.

Um sicherzustellen, dass Chlorodont stets verfügbar blieb, etablierte das Unternehmen sogar eigene Anbau- und Herstellungsstätten für die notwendigen Rohstoffe. So wurden Pfefferminze im rumänischen Kronstadt und Naturkalk in Ulm angebaut und abgebaut. Die weltweite Nachfrage trieb das Unternehmen zur Gründung zahlreicher Niederlassungen – nicht nur in Deutschland, sondern in Metropolen wie Wien, Paris, Hongkong und Buenos Aires.

Emailschild, abgekantet, dick schabloniert, zudem lithographiert, Dresden 20er Jahre, 100 x 88 cm. Dieses Schild erzielte anlässlich der 30. Wormser Reklame-Auktion im November 2022 einen Preis von 3.900€ zzgl. Provision. (Bild: Wormser Reklame-Auktion)

Von Mayenburg erkannte, dass die Loyalität von Mitarbeitern und Kunden gleichermaßen entscheidend für den Erfolg war. Seine Firma bot ihren Mitarbeitern außergewöhnliche Sozialleistungen: Sie erhielten Pausen- und Waschräume, Zugang zu einer Näh- und Schusterstube, eine Sanitätsstelle und eine betriebseigene Ferienanlage im Erzgebirge.

Auch auf dem firmeneigenen Sportplatz wurden Gemeinschaft und Wohlbefinden gefördert, und eine Damen-Fußballmannschaft lief sogar in Chlorodont-Trikots auf. Mit dieser sozialen Verantwortung schuf von Mayenburg eine Unternehmenskultur, die ebenso innovativ war wie die Marke selbst.


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Nach dem Tod von Ottomar von Mayenburg im Jahr 1932, auf dem Höhepunkt der Expansion mit über 1.500 Beschäftigten und 27 Niederlassungen, überstand das Unternehmen auch die schwierigen Jahre des Zweiten Weltkriegs und den Verlust seiner Fabrikgebäude in Dresden. Die Nachkriegszeit bedeutete eine Teilung der Unternehmensgeschichte.

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Chlorodont bei Sammler.Net

Während die Leo-Werke in Dresden verstaatlicht und unter dem Namen VEB Elbe-Chemie weitergeführt wurden, siedelte die Firmenzentrale in die Bundesrepublik Deutschland über. Heute lebt das Erbe von Mayenburgs in der Dental-Kosmetik GmbH weiter.

Cleveres Marketing: Schul-Lehrtafel als Plakat, 1930er Jahre (Bild: Wormser Reklame-Auktion)

Ottomar von Mayenburg zeigte, dass Marketing weit mehr als die einfache Bewerbung eines Produkts ist. Sein Gespür für starke Markensymbole wie die „Chlorodont-Frau“ sowie seine Investitionen in eine konsistente und auffällige Werbung hoben Chlorodont von der Konkurrenz ab.

Durch seine strategische Weitsicht wurde Chlorodont nicht nur zur erfolgreichsten Zahnpasta Europas, sondern schrieb zugleich ein Kapitel in der Geschichte des deutschen Marketings – ein Kapitel, das zeigt, wie starke Marken und soziale Verantwortung eine nachhaltige Erfolgsgeschichte schaffen können.


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