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Stellen Sie sich das Stadtbild Anfang des 20. Jahrhunderts vor: Geschäftsfassaden, Straßenecken und Bahnhöfe waren gesäumt mit Emailschildern in leuchtenden Farben. Eine Szenerie, die viele heute nostalgisch an die (längst nicht immer so ) gute alte Zeit erinnert und das Herz eines jeden Sammlers Historischer Reklame höher schlagen lässt. Doch was ist ein Emailschild überhaupt und was macht seinen Reiz aus?

Eine Auswahl an emaillierten Reklameschildern aus verschiedenen europäischen Ländern und Jahrzehnten (Bild: Sammler.Net)

Schon die Römer verzierten Schmuck und Rüstungen mit einer emaillierten Beschichtung, aber erst im Zuge der Industrialisierung wurde es möglich, Eisenbleche mit einer widerstandsfähigen Schicht Emaille zu überziehen und damit die Reklamekunst zu revolutionieren. Emailschilder (auch noch Emailleschilder genannt) zu produzieren, verlangt nicht nur höchstes handwerkliches Können, sondern auch eine ausgefeilte Technik. Ab Ende des 19. Jahrhunderts prägten Emailschilder über viele Jahrzehnte das Bild der Städte.

Die robusten, farbenfrohen Schilder waren die ideale Lösung, um die Qualität von Markenartikeln über Jahre hinweg zu verkünden. Vor allem bekannte Hersteller wie z.B. Maggi, Persil, Dr. Oetker, Knorr, Suchard u.v.m. erkannten schnell das Potenzial dieser auffälligen Werbemittel und schufen ein nahezu flächendeckendes Netz an Emailschildern.

Diese neue Art der Reklame setzte nicht auf kurzlebige Trends, sondern auf Beständigkeit – ein Konzept, das perfekt zu den Versprechen der Hersteller passte: Qualität, die ewig währt.

Der Höhepunkt der „Blechpest“

Ferro Email C. Robert Dold: Blick auf einen Ausstellungsstand des Emaillierwerks aus den 1930er Jahren

Die „Blechpest“ – wie die Emaille-Werbung scherzhaft genannt wurde – erreichte ihren Höhepunkt in den 1920er und 1930er Jahren. In dieser Zeit produzierten allein in Deutschland über 300 Emaillierwerke tausende Schilder für Marken, von denen man auch heute noch viele kennt.

Besonders berühmte Entwürfe wie die „Weiße Dame“ von Persil, entworfen von Kurt Heiligenstaedt im Jahr 1922, zieren heutzutage zahlreiche Sammlungen und tauchen regelmäßig in Auktionshäusern auf. Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen Ländern in und außerhalb Europas kam es zur „Blechpest“.

Und in jedem Land wurden Ikonen, wie die „Weiße Dame“ geschaffen. In den Niederlanden neben manch weiteren etwa die Caballero-Frau, in Belgien u.a. die Pierrots von SPA in ihren diversen Formen, auch aus Frankreich (Delespaul-Havez, …), Italien (Cinzano, …), England (BP, …), Österreich (PEZ) oder der Schweiz (z.B. Chocolat de Villars) sind legendäre Entwürfe bekannt.

Die „Weiße Dame“ wurde in verschiedenen Ausführungen produziert. Hier ein bei eBay versteigertes Exemplar.

Von kleinen Türschildern, die, wie der Name es verrät direkt an Ladentüren oder dem Türrahmen angebracht wurden, bis hin zu übergroßen Emailplakaten – manche erreichen mehrere Meter Länge und bestehen aus mehreren Teilen – die Formen und Größen der Emailschilder waren so vielfältig wie die Botschaften, die sie trugen.

Gängige Größen für Schilder an den Mauern der Geschäfte waren – in Deutschland – z.B. 60 x 40 oder 50 x 25 cm. Solche, die man an Bahnhöfen oder entlang der Eisenbahnstrecken und an großen Straßenkreuzungen antraf, maßen oft beeindruckende 80×120 cm und waren quasi unübersehbar.

Herstellung: Eine Kunst für sich

Die Herstellung der Schilder war eine Kunst für sich. In traditioneller Handarbeit wurden die Motive mittels Schablonentechnik oder Siebdruckverfahren aufgetragen, bevor sie bei hohen Temperaturen gebrannt wurden. Besonders die Schablonentechnik verlieh den Schildern eine reliefartige Haptik, die ihre nostalgische Ausstrahlung verstärkte.


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Bei bis zu 1000 °C wird die Emaille in Pulverform auf dem stählernen Untergrund so verschmolzen, dass sich eine dauerhaft haltbare, glänzende Oberfläche bildet. Je nachdem, wie viele verschiedene Farbschichten aufzutragen sind, müssen die Brennvorgänge bei verschiedenen, den jeweiligen Farben angepassten, Temperaturen wiederholt werden.

Die kräftigen Farben und die glasharte, wetterfeste Oberfläche der emaillierten Werbeträger bleiben über Jahrzehnte hinweg leuchtend und widerstandsfähig gegenüber äußere Einflüsse.

Kleine Renaissance

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden die Emailschilder nach und nach fast vollständig aus dem Stadtbild. Bis in die 1960er Jahre hinein ließen einzelne Unternehmen zwar weiterhin solche herstellen, doch die große Zeit der Plakatwerbung mittels emailliertem Blech war vorbei. Die viel flexiblere Druckwerbung auf Papier, Aluminium oder Kunststoffen bot kostengünstigere Alternativen, die der Industrie es erlaubten, sich dem schnellen Wandel der Konsumgesellschaft besser und vor allem rascher anzupassen.

In Belgien werden auch heute noch zahlreiche Emailschilder sowohl zu Werbezwecken, oder wie hier, in der Emaillerie Belge, als reine Kunstwerke, produziert. (Bild: Emaillerie Belge)

Nach 1970 wurden kaum noch Emailschilder produziert. Die Schilder wurden abmontiert, erste Sammler begannen sich für sie zu interessieren. Wenige Jahre später organisierte Micky Waue aus Friedrichsdorf die ersten Verkaufsveranstaltungen mit Reklameobjekten. Die damals aufgerufenen und erzielten Preise muten heute weltfremd an.

In den 1990er-Jahren erlebten die fast unverwüstlichen Schilder ein Revival. Zwar erreichen die modernen Schilder nahezu nie die Originalqualität vergangener Zeiten, doch die Begeisterung für die robuste Ästhetik und die Farbenfreude der alten Schilder lebt weiter. Das Unternehmen Maggi etwa legte eine ganze Reihe von Reproduktion alter Motive neu auf.

Derweil verschiedene Emaillierwerke inzwischen ihre Türen längst geschlossen haben, sind neue entstanden. Vor allem in Belgien werden heute wieder sehr viele Emailschilder produziert, zu Werbezwecken aber auch als eigenständige Kunstobjekte.

Alte Originale: teuer, teurer, am teuersten

Alte Originale, insbesondere seltene Schilder in sehr gutem Zustand (Zustandsbeschreibung, siehe weiter unten), sind unter Sammlern längst begehrte und oft kostspielige Objekte. So kann ein gut erhaltenes Schild im Auktionshaus heute leicht vier- oder fünfstellige Beträge erreichen; einige absolute Top-Exemplare übersteigen sogar die Marke von 100.000€.

Das teuerste Schild des Jahres 2023 in Europa: Es wurde bei der 32. Reklame-Auktion in Worms versteigert und brachte 210.000€ zzgl. Aufgeld. (Bild: Wormser Reklame-Auktion)

Hier einige Beispiele:

Im August 2022 wurde erstmals die Milliongrenze für ein Emailschild bei einer Auktion in den USA erzielt: Absoluter Rekord: Rund 1,5 Millionen Euro für ein Emailschild

Ein Emailschild hat, sofern es gut behandelt wird, auch nach Jahrzehnten nichts an seiner Farbbrillanz verloren. Seine glasartige Oberfläche ist nahezu unverwüstlich, wetterbeständig und bleibt frei von Kratzern und Vergilbung. So gibt es heute noch etliche Schilder, die bereits ein rundes Jahrhundert auf dem Buckel haben und die dennoch aussehen, als kämen sie frisch aus dem Ofen.

Nicht alles was glänzt ist echt

Weder UV-Strahlung (mit Ausnahme sehr früher, lithografierter Schilder, bei denen die Farben verblassen können) noch raue Seeluft können ihnen etwas anhaben – perfekte Eigenschaften, die diesen Werbeartikeln ihre ikonische Langlebigkeit verleihen. Nur wenn die Emailschicht gewaltsam beschädigt wird, können sie anfangen zu rosten.

VORSICHT, FÄLSCHUNG

Hier gibt’s mehr Infos zu Repros & Fakes

Wie bereits erwähnt, erzielen seltene Emailplakate heute teils extrem hohe Preise. Diese Tatsache sorgt dafür, dass sich vor allem in den letzten Jahren vermehrt Betrüger ans Werk machen, um mehr oder weniger ahnungslose Freunde alter Reklame reinzulegen. In Polen, Tschechien und Indien u.a. werden Fälschungen produziert.

Häufig werden auch banale Repros von Betrügern mittels Gewalt (Hammer usw.) und Säure auf alt getrimmt und online oder auf Trödel- und Flohmärkten als Originale angeboten. Hier finden Sie eine stets aktualisierte Auflistung bekannter Fälschungen: Bekannte Fälschungen. Sollten Sie Fragen zur Echtheit eines Schildes haben, können Sie Sammler.Net gerne kontaktieren!


Zustandsbeschreibung: Von 0 bis 5

Um den Zustand eines Emailschildes zu beschreiben, bedient man sich seit vielen Jahren schon einer Skalierung, die von 0 bis 5 reicht. Allerdings liegt diese oft mehr oder weniger im Auge des Betrachters. Vor allem bei den Zuständen 1 bis 4 gehen die Meinungen nicht selten auseinander. Ist ein Schild jedoch perfekt, quasi im Neuzustand, erhalten, so steht der Zustand 0 außer Frage.

0: Erhaltung wie neu, keine Schäden, ofenfrischer Glanz, kräftige Farben
1: Kleinere Schäden an Ecken oder Rändern, Motiv ohne Beschädigung, keine oder nur sehr wenige Oberflächenspuren
2: Umfangreiche Rand- oder Eckschäden, kleinere Schäden im Motiv, leicht erkennbare Kratzer
3: Auffällige Schäden auch im Motiv, die Farben können nicht mehr so frisch sein, die Oberfläche matt
4: Die vorhandenen Beschädigungen wirken sich störend auf den Gesamteindruck aus. Substanzverluste am Trägermaterial können präsent sein.
5: Substanzverluste, Knicke oder Risse im Blech, große Oberflächenschäden … Ein solches Schild ist für Sammler nur noch als Belegexemplar interessant, sofern keine teure Restaurierung ins Auge gefasst wird.


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