Wenn man heute an Dr. Oetker denkt, dann wohl zuerst an die berühmten Backmischungen, das „Backin“ und die Puddingtüten, die in keinem deutschen Haushalt fehlen. Hinter dieser Marke steckt ein Mann, dessen Innovationsgeist und unternehmerisches Geschick die Grundlage für einen der bekanntesten Familienkonzerne Deutschlands legten: August Oetker.

Geboren am 6. Januar 1862 in Obernkirchen, einem kleinen Ort in Niedersachsen, scheint das Unternehmertum August Oetker schon in die Wiege gelegt worden zu sein.
Sein Vater, ein Bäckermeister, und seine Mutter, Tochter eines Rechtsanwalts, vermittelten ihm eine Mischung aus handwerklichem Können und akademischer Neugierde, die ihn in den kommenden Jahren prägen sollte.
Nach dem Abitur absolvierte Oetker eine Ausbildung zum Apotheker und schloss später noch ein naturwissenschaftliches Studium ab, das er 1888 mit einer Doktorarbeit in Botanik krönte. Doch statt in der Forschung zu bleiben, zog es ihn in die Welt der unternehmerischen Experimente.
Der Schritt zum Erfolg: „Backin“
Seine Karriere als Unternehmer begann für Oetker holprig. Nach Berlin umgezogen und verheiratet mit seiner Frau Karoline, startete er verschiedene Projekte, die jedoch nicht den gewünschten Erfolg brachten. Der Durchbruch kam 1891, als Oetker die Aschoffsche Apotheke in Bielefeld erwarb und sich auf die Entwicklung eines haltbaren und geschmacksneutralen Backtriebmittels konzentrierte.

Die Idee dafür stammte von einem entfernten Verwandten aus den USA, der ihm vom dort populären „Professor Horsford’s Phosphatic Baking Powder“ erzählte. Oetker perfektionierte die Rezeptur, verpackte sein Pulver in kleine, haushaltsgerechte Tütchen und nannte es schlicht „Backin“.
Die Innovation lag weniger im Produkt als in seiner Anwendungsfreundlichkeit: Die Menge eines Päckchens war exakt auf 500 Gramm Mehl abgestimmt und garantierte so, dass jedes Backvorhaben ein Erfolg wurde – die „Geling-Garantie“ war geboren.
Dieser einfache Kniff revolutionierte das Backen, machte es für jeden Haushalt zugänglich und führte Oetker auf den Weg zum unternehmerischen Erfolg. Der Preis von zehn Pfennigen pro Tütchen sollte für die nächsten 70 Jahre unverändert bleiben und das Backen für alle erschwinglich machen.

Pionier des deutschen Werbefilms
Oetker erkannte früh die Bedeutung von Markenbildung und Reklame. Statt nur sein Produkt zu verkaufen, lieferte er direkt die passenden Rezepte, Anwendungstipps und eine verständliche Gebrauchsanleitung mit – ein damals außergewöhnlicher Schritt, der den Konsumenten Vertrauen und Sicherheit gab.
Die Produkte wurden mit Slogans beworben, die einfach und eingängig waren, und das charakteristische Logo, der „Dr. Oetker“-Schriftzug, wurde schon 1899 erstmals verwendet und ist bis heute quasi unverändert.
Sehr früh setzte Oetker auch auf Plakate, sei es aus Papier, aus Blech oder als Emailschild. Überall tauchten die Schilder mit dem charakteristischen weißen Kopf auf blauem Hintergrund auf. Für zusätzliche Überzeugungskraft richtete Oetker Vorführküchen ein, in denen die Kundschaft die Qualität des Backpulvers hautnah erleben konnte.
Er investierte auch in neue Medien: Bereits 1910 brachte er erste Kochbücher heraus und drehte 1926 den Werbefilm „Backpulver, was sonst“, der sein Produkt auch im Kino präsentierte – eine der ersten Produktwerbungen dieser Art in Deutschland.
Viele weitere Kurzfilme fürs Kino folgten, wer sich dafür interessiert findet hier eine interessante Seite zum Thema. Auch aus der frühen Fernsehwerbung ist das Unternehmen nicht wegzudenken. Zahlreiche Reklamespots entstanden im Laufe der Jahrzehnte.
Familienunternehmen mit sozialem Herz
Im Jahr 1900 verzeichnete Oetkers Erfolg bereits enorme Ausmaße, und die Fabrik an der Lutherstraße in Bielefeld, die heute noch als Stammsitz der Oetker-Gruppe dient, wurde gebaut. Schon sechs Jahre später waren über 50 Millionen „Backin“-Tütchen verkauft. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Oetkers Unternehmensphilosophie lag in seiner Fürsorge für seine Mitarbeiter.
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Längst bevor soziale Unternehmenskultur zur Norm wurde, bot er Annehmlichkeiten wie kostenlose Pausengetränke, Betriebsausflüge und einen Betriebsausschuss, in dem die Angestellten ihre Anliegen diskutieren konnten. 1907 ging er sogar so weit, Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen – eine frühe Form der betrieblichen Mitbestimmung, die ihre Zeit voraus war.

Doch auch in Oetkers Leben gab es dunkle Tage. 1914 zog sein Sohn Rudolf, den er inzwischen in die Geschäftsführung eingebunden hatte, in den Ersten Weltkrieg und fiel 1916 in der Schlacht von Verdun. Der Tod des Sohnes erschütterte den Familienvater zutiefst, und bereits ein Jahr später zwang eine schwere Erkrankung ihn, die Leitung des Unternehmens an seinen langjährigen Mitarbeiter Fritz Behringer zu übergeben. Im Testament verfügte er, dass das Unternehmen im Familienbesitz bleiben und später von seinem Enkel Rudolf-August übernommen werden sollte.
Am 10. Januar 1918 starb August Oetker mit nur 56 Jahren und hinterließ ein florierendes Unternehmen, das durch die Kreativität und das Geschick seiner Nachfahren weiter wuchs. Sein Enkel Rudolf-August Oetker trat 1947 die Nachfolge an und baute die Firma zur heutigen Oetker-Gruppe aus.
Ein Symbol deutscher Backkultur
Heute steht die Oetker-Gruppe nicht nur für Backpulver und Backmischungen, sondern für eine Erfolgsgeschichte, die durch ihre Bodenständigkeit und das Streben nach Innovation Generationen von Menschen inspiriert hat. August Oetker verstand es, mit einer einfachen, aber raffinierten Idee nicht nur den deutschen Haushalten das Backen zu erleichtern, sondern auch eine Marke zu schaffen, die sich durch Qualität, Beständigkeit und eine starke Kundenbindung auszeichnet.
Bis heute verkörpert die „Geling-Garantie“ ein Versprechen, das aus einer einfachen Apotheke in Bielefeld heraus die Welt des Backens nachhaltig geprägt hat.
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