Helga Tiemann (1917–2008) war eine vielseitige Künstlerin, die sowohl in der Malerei als auch in der Reklamewelt bedeutende Spuren hinterlassen hat. Während sie in der Kunstwelt für ihre feinen, figürlichen Zeichnungen und Bildhauerarbeiten bekannt war, spielte sie in der Werbebranche eine ebenso bedeutende Rolle. Eine ihrer bekanntesten Arbeiten: die moderne Version der legendären „Weißen Dame“ für Persil – ein Meilenstein in der deutschen Werbegeschichte.
Geboren am 11. Oktober 1917 in Remscheid, begann Helga Tiemann nach ihrem Abitur ihre Ausbildung an den Kölner Werkschulen, wo sie unter anderem Malerei und figürliches Zeichnen bei den Professoren Seuffert und Meyer studierte. Später wechselte sie an die Universität der Künste Berlin, um ihre Fähigkeiten weiter auszubauen. Der Zweite Weltkrieg prägte ihre frühen künstlerischen Jahre, in denen sie vor allem Soldaten und Offiziere porträtierte, die als Besatzungstruppen in Deutschland stationiert waren.
Nach Kriegsende kehrte Tiemann nach Köln zurück, wo ihre Familie lebte, und begann, sich neben der freien Kunst auch der Werbung zuzuwenden – einer aufstrebenden Branche in der Nachkriegszeit.
Auf Heiligenstaedt folgte Tiemann
Die ursprüngliche „Weiße Dame“ von Persil wurde bereits in den 1920er Jahren von Kurt Heiligenstaedt entworfen und war in den folgenden Jahrzehnten zu einem Symbol für Reinheit und Sauberkeit geworden. Ihre makellose weiße Kleidung repräsentierte das Versprechen des Waschmittels Persil, Kleidung strahlend sauber zu halten. Dieses Bild der „Weißen Dame“ war in der deutschen Werbung fest verankert.
In den 1950er-Jahren, als sich das Konsumverhalten und die ästhetischen Ansprüche der Nachkriegsgesellschaft veränderten, wurde eine moderne Neuinterpretation der „Weißen Dame“ notwendig. Hier trat Helga Tiemann in Erscheinung. Sie schuf eine zeitgemäße Version der Figur, die die Ideale der aufstrebenden Wirtschaftswunder-Generation widerspiegelte.
Ihre Darstellung der „Weißen Dame“ behielt die klassische Eleganz und Reinheit bei, fügte jedoch einen modernen Touch hinzu, der den Geist der neuen Ära verkörperte. Tiemanns „Weiße Dame“ erschien in mehreren Versionen sowohl als Plakatwerbung als auch in Zeitschriften.
Man findet heute auch Repro-Blechschilder mit dem Motiv. Bei dem vorliegenden Objekt handelt es sich um den Original-Entwurf der Künstlerin. Die Maße unseres Originals betragen ca. 24 x 36 cm. Rückseitig findet man – wie bei den anderen Entwürfen auch – ein Etikett der Graphischen Betriebe Otto Dahmann & Co. mit denen die Künstlerin zusammenarbeitete.
Tiemanns „Weiße Dame“ wurde zu einer modernen Ikone der Werbewelt, die an die traditionsreiche Vergangenheit anknüpfte und gleichzeitig das moderne, stilvolle Image der Marke Persil stärkte. Diese Neugestaltung brachte frischen Wind in die Werbung der Nachkriegszeit, indem sie klassische Symbole aufgriff und sie in eine zeitgemäße Form brachte. Sie war es auch, die das kleine Mädchen schuf, das – ebenfalls in makellosem weißen Kleid – auf Plakaten, Schildern und in – oft ganzseitigen – Zeitungsanzeigen auftauchte.
Helga Tiemanns Arbeit im Bereich der Reklame war von ihrem künstlerischen Hintergrund geprägt. Sie verstand es, visuelle Botschaften zu gestalten, die nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch anspruchsvoll waren. In ihrer Neuinterpretation der „Weißen Dame“ verband sie die Reinheit der klassischen Figur mit den modernen Ansprüchen einer sich wandelnden Konsumgesellschaft.
Kunst und Reklame – Eine ideale Symbiose
Für Tiemann war Reklame nicht bloß eine kommerzielle Notwendigkeit, sondern auch ein Medium, in dem sie ihre künstlerische Sensibilität ausdrücken konnte. Sie sah Werbung als eine Form der Kunst, die es ermöglichte, Produkte auf eine ästhetisch ansprechende Weise darzustellen und dabei Emotionen und Identität zu vermitteln.
Helga Tiemann schuf auch weitere viel beachtete Werbekampagnen u.a. für Sarotti. Den legendären Mohren etwa entwarf sie in einem Auto sitzend, das vor verschiedene Kulissen platziert werden konnte. Bekannt ist von Tiemann auch die als Blech- und Emailschild in verschiedenen Ausführungen existierende Delial-Dame.
Das Erbe von Helga Tiemann
Obwohl Helga Tiemann in der Kunstszene vor allem für ihre Porträts (u.a. Theodor Heuss, Willy Brandt, Ronald Reagen, ..) und figürlichen Arbeiten bekannt ist, bleibt ihre Rolle in der Werbebranche, insbesondere ihre Neuinterpretation der Persil-„Weißen Dame“, ein herausragendes Kapitel ihres Schaffens. Ihre Fähigkeit, klassische Werbeikonen zu modernisieren und dabei den kulturellen Wandel der Nachkriegszeit einzufangen, macht sie zu einer Schlüsselfigur in der deutschen Werbegeschichte.
Sie erstellte auch Kinderbildnisse, Landschaftsbilder, Pferde unter anderem, die sie als Pastelle, Tusche- und Rötelzeichnungen sowie Radierungen und Lithografien ausarbeitete. Anlässlich ihres 80. Geburtstages richtete das Museum Europäische Kunst in Nörvenich im Jahre 1997 eine große Werkschau aus, wo ihr auch der Orden „Pour le Mérite“ verliehen wurde. Noch im hohen Alter von 87 Jahren schuf sie eine lebensgroße Skulptur Konrad Adenauers, die am 19. April 2005 in Berlin von der damaligen CDU-Vorsitzenden und späteren Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeweiht wurde.
Die von ihr geschaffene Version der „Weißen Dame“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie Kunst und Reklame harmonisch zusammenarbeiten können, um nicht nur Verkaufsbotschaften, sondern auch ein kulturelles Narrativ zu transportieren. Helga Tiemann bleibt somit eine der wenigen Künstlerinnen, die es verstanden haben, die visuelle Sprache der Werbung auf ein künstlerisches Niveau zu heben. Die Künstlerin starb am 13. Oktober 2008 in Köln.
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