Hermann Bahlsen und der Keks, der die Welt veränderte

Die Geschichte des Leibniz-Butterkekses beginnt mit einem Mann, dessen Name für Qualität, Innovation und Tradition steht: Hermann Bahlsen. Der am 14. November 1859 in Hannover geborene Unternehmer prägte die deutsche Lebensmittelindustrie und revolutionierte die Art und Weise, wie wir Kekse konsumieren. Seine Vision, gepaart mit einem Gespür für technologische Innovationen und intelligente Reklame-Kampagnen, führte zum Erfolg der berühmten Süßwaren-Fabrik, die bis heute seinen Namen trägt.

Leibniz-Keks-Emailschild mit dem TET-Symbol. Um 1920 (ca. 50 x 33 cm), Entwurf: Robert Fricke. (Bild: Sammler.Net)

Hermann Bahlsen stammte aus einer alteingesessenen hannoverschen Familie von Tuchhändlern und Goldschmieden. Schon früh zeigte er einen unternehmerischen Geist, der ihn von Hannover nach Genf führte, wo er eine kaufmännische Lehre absolvierte, und weiter nach London, wo er die Kunst der „Cakes“ entdeckte. Diese englischen Backwaren inspirierten ihn zu einem mutigen Schritt: Nach seiner Rückkehr nach Deutschland begann er, diese süßen Leckereien auch auf dem Kontinent zu vermarkten.

Vom kleinen Betrieb zur Fabrik der Zukunft

1888 war das Jahr, in dem Bahlsen seinen unternehmerischen Traum in die Tat umsetzte. Er wurde Teilhaber einer kleinen Fabrik für englische Cakes und Biskuits in Hannover. Schon ein Jahr später gründete er seine eigene Firma: die „Hannoversche Cakesfabrik H. Bahlsen“. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Die Mitarbeiterzahl stieg rasant von zehn auf über hundert und erreichte bis zum Ersten Weltkrieg beeindruckende 1700. Der Schlüssel zu diesem Erfolg lag nicht nur in der Qualität der Produkte, sondern auch in Bahlsens Talent für geschicktes Marketing.

Die Bahlsen-Keks-Fabrik Hannover. An der Seitenwand des ehemaligen Feuerwehr-Gebäudes daneben erkennt man die Reproduktion eines Plakates von Otto Obermeier aus den 1920er Jahren. (Foto: Axel Hindemith)

Reklame spielte eine zentrale Rolle in der Erfolgsgeschichte von Hermann Bahlsen und seiner Firma. Schon früh erkannte Bahlsen, dass ein gutes Produkt allein nicht ausreichte, um den Markt zu erobern – es musste auch wirkungsvoll beworben werden. Seine Innovationskraft zeigte sich nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Vermarktung, die er auf kreative und damals neuartige Weise betrieb.

Der legendäre Leibniz-Butterkeks

Einen cleveren Werbeschachzug landete Bahlsen 1893 mit der Einführung des Leibniz-Butterkekses. Der Name des Produkts war eine Hommage an den berühmten Philosophen und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz, der wie Bahlsen selbst in Hannover gewirkt hatte. Bahlsen entschied sich, den Keks nicht nur nach Leibniz zu benennen, sondern auch mit einem Zitat des Philosophen zu bewerben.

Nur echt mit 52 Zähnen: Der Bahlsen Butterkeks (Detail) mit dem Namen Leibniz (Foto: Rainer Zenz)

Diese Verknüpfung von Produkt und intellektuellem Ansehen verlieh dem Keks eine kulturelle Bedeutung und hob ihn von der Konkurrenz ab. In einer Zeit, in der Kekse meist unverpackt und lose verkauft wurden, bot Bahlsen seine Butterkekse in Tüten an, was sie praktischer und hygienischer machte. Die Verpackung verstärkte den Eindruck von Qualität und Exklusivität und trug dazu bei, den Absatz entscheidend zu steigern.

Die unverwechselbare Gestaltung der Leibniz-Butterkekse ist bis heute eine Hommage an Bahlsens Liebe zum Detail. Die „52 Zähne“, 15 Punkte und der typische Leibniz-Schriftzug machten den Keks zu einer Ikone.

Kunst und Werbung im Einklang

Bahlsen nutzte Kunst als zentrales Element seiner Werbestrategie. Er arbeitete mit namhaften Künstlern und Designern zusammen, um seine Produkte optisch ansprechend zu präsentieren. So engagierte er unter anderem Emanuel Josef Margold, ein Mitglied der Wiener Werkstätte, um exklusive Verpackungsdesigns und Werbeplakate zu entwerfen.

Bahlsen-Keksdose (18 x 8,5 x 11 cm) nach Josef Margold. Sie wurde anlässlich 46. Friedrichsdorfer Auktion Alte Reklameschilder im Dezember 2022 für 280€ zzgl. Provision verkauft. (Bild: Micky Waue)

Margold, bekannt für seine elegante und geometrische Formensprache, verlieh den Bahlsen-Produkten ein unverwechselbares Erscheinungsbild, das Eleganz und Modernität ausstrahlte. Auch weitere renommierte Künstler – und Künstlerinnen – wie etwa Martel Schwichtenberg, die von 1896 bis 1945 lebte, arbeiteten für das Hannoveraner Unternehmen.

Bahlsen-Blechdose (hier der Deckel) mit einem Motiv der Künstlerin Martel Schwichtenberg. Dieses Exemplar erzielte kürzlich bei einer eBay-Auktion über 1.400€: siehe hier!

Auch der Dada-Künstler Kurt Schwitters und die Avantgardistin Lotte Pritzel trugen zum Markenimage des Unternehmens bei. Schwitters, der für seine experimentellen Arbeiten bekannt war, half dabei, die Werbekampagnen von Bahlsen mit einem kreativen und modernen Stil zu versehen.

Diese Zusammenarbeit unterstrich Bahlsens Bemühungen, Reklame nicht nur als Mittel zum Zweck zu nutzen, sondern sie als Kunstform zu betrachten, die den Charakter und die Werte der Marke widerspiegelte.

Das „TET“-Logo und seine Bedeutung

Um die Haltbarkeit seiner Produkte zu betonen, ließ sich Bahlsen 1903 ein spezielles Verpackungsverfahren patentieren, das für langanhaltende Frische sorgte. Diese Innovation wurde auch in der Werbestrategie aufgegriffen. Auf Anregung des Museumsdirektors Friedrich Tewes wählte Bahlsen eine ägyptische Hieroglyphe als neues Logo: das sogenannte „Djed“-Symbol, das für Dauerhaftigkeit und Unvergänglichkeit steht.


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Bahlsen vereinfachte das Symbol zu „TET“ und machte es zum Markenzeichen seiner Firma. Dieses Logo schmückte fortan die Verpackungen und Werbeanzeigen, was den Produkten einen Hauch von Exotik und zeitloser Beständigkeit verlieh.

Das „TET“-Logo war nicht nur ein Markenkennzeichen, sondern auch ein Versprechen: Es stand für die hohe Qualität und die lange Haltbarkeit der Bahlsen-Produkte. Diese symbolische Aufladung vermittelte den Kunden, dass sie nicht nur einen Keks kauften, sondern ein Produkt von besonderem Wert.

Mit dem Wort ‚Keks‘ in den Duden

Eine wichtige Plattform für Bahlsens Werbung – bei der u.a. auch Emailschilder, Blechschilder und großformatige Plakate zum Einsatz kamen – waren internationale Ausstellungen und Weltausstellungen, wo die Firma ihre Produkte einem globalen Publikum präsentieren konnte. 1893 nahm Bahlsen an der Weltausstellung in Chicago teil, wo er für seine „Tet-Kekse“ eine Goldmedaille gewann. Diese Auszeichnung wurde natürlich geschickt in der Reklame genutzt, um den Qualitätsanspruch der Marke zu unterstreichen. Solche internationalen Erfolge trugen dazu bei, Bahlsen als Qualitätsmarke mit Weltruf zu etablieren.

Bahlsen-Verpackungen aus früheren Zeiten (Foto: Nifoto)

Ein weiterer geschickter Marketingcoup gelang Bahlsen mit der Eindeutschung des englischen Begriffs „Cake“. Bis dahin waren Kekse im deutschen Sprachraum eher als „Cakes“ bekannt. Bahlsen setzte sich mit Nachdruck dafür ein, den Begriff „Keks“ einzuführen, was ihm schließlich 1911 oder 1912 gelang, als das Wort offiziell in den Duden aufgenommen wurde.

Mit dieser sprachlichen Veränderung schuf Bahlsen eine starke Verknüpfung zwischen der Produktkategorie und seinem Unternehmen, da der Begriff „Keks“ durch die innovative Vermarktung schnell mit den Bahlsen-Produkten assoziiert wurde.

Werbestrategien mit Effekt

Bahlsens Ansatz, Werbung als integralen Bestandteil seiner Unternehmensphilosophie zu betrachten, war wegweisend. Die Kombination aus intellektueller Anspielung (Leibniz-Zitat), künstlerischer Gestaltung (Zusammenarbeit mit renommierten Künstlern) und technischer Innovation (patentierte Verpackung) machte die Marke Bahlsen zu einem Synonym für Qualität und Verlässlichkeit.

Bahlsen-Blechschild aus Prag (Tscheichien, 20er Jahre, 37 x 26 cm). Dieses Exemplare erzielte anlässlich einer Wormser Reklame Auktion im September 2020 den Preis von 330€ zzgl. Aufgeld. (Bild: Wormser Reklame-Auktion)

Wie der Journalist Klaus Wiborg einmal feststellte, war es der „Stil“, der die „schöpferische Investition und die geistige Unternehmerpersönlichkeit“ hinter dem Produkt erkennen ließ und sich als die „werbewirksamste Verkaufsförderung“ erwies. Bahlsen verstand es, seine Marke mit kulturellem Kapital aufzuladen, indem er Werbung nicht nur als Verkaufsstrategie, sondern als Ausdruck einer Firmenidentität sah.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Hermann Bahlsen die Macht der Reklame voll ausschöpfte und damit Maßstäbe setzte. Seine Werbung war nicht nur informativ, sondern auch emotional und kulturell aufgeladen, was die Marke Bahlsen von ihren Mitbewerbern unterschied und den Weg für den weltweiten Erfolg des Leibniz-Butterkekses ebnete.

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