Schneller Überblick
Von der Schönhauser Allee nach Pankow: Die faszinierende Geschichte der jüdischen Unternehmerfamilie Garbáty, ihrer sozialen Vision – und ihrer kunstvollen Reklame.

alten Blechschild (Bild: eBay.de)
Im Jahr 1881 eröffnete Josef Garbáty-Rosenthal seine erste Zigarettenfabrik in Berlin – in einer Zeit, in der Tabakproduktion noch weitgehend Handarbeit war.
Mit seiner Frau Rosa begann er bereits 1879 mit der Heimarbeit an Zigaretten.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Mit der Marke „Königin von Saba“, der ersten ägyptischen Zigarette Berlins, schrieb Garbáty Marken- und Werbegeschichte.
1906 erfolgte der Umzug nach Berlin-Pankow: An der Hadlichstraße entstand nach Plänen von Paul Ueberholz ein beeindruckender Fabrikkomplex. Die architektonisch anspruchsvollen Bauten standen für eine neue Zeit – eine, in der industrielle Größe und soziale Verantwortung Hand in Hand gingen.


Bei Garbáty war der Mensch Teil der Marke. Bereits 1908 gab es Frühstück und Mittagessen in der firmeneigenen Kantine. Sozialräume, Betriebswäscherei, eine Bibliothek und sogar ein Werkchor zählten zur Ausstattung. Das firmeneigene Kantinengeld – „Garbátys“ – war Symbol eines beinahe utopischen Modells der Fürsorgekultur.
1918, noch vor der staatlichen Arbeitslosenversicherung, waren alle 1.000 Beschäftigten bereits abgesichert. Sportveranstaltungen, Bälle im Deutschen Hof, der firmeneigene Sportclub G.S.C. – Garbáty verstand sich als mehr als ein Arbeitgeber: als Lebenswelt.
Die Macht der Bilder
Neben Qualität setzte Garbáty vor allem auf eines: ästhetisch hochwertige und emotional aufgeladene Werbung. Die Berliner Straßen zierten riesige Plakate, oft illustriert und farbenprächtig.
Die Marke setzte auch auf Emailschilder als dauerhafte Werbeträger und band die Kundschaft mit Sammelbildern an sich, für die eigens Alben zu verschiedenen Themen herausgegeben wurden.


Mit eigens entworfenen Holzbildern, etwa für die Marke Kurmark Cigaretten ging Garbáty 1932 sogar noch einen Schritt weiter als die Konkurrenz.
Diese kleinen, bedruckten Holzplättchen waren mehr als ein Gimmick – sie waren Teil einer ausgefeilten Markenwelt. Die rauchende Kundschaft konnte sich damit beispielsweise eine personalisierte Zigarren- resp. Zigarettenkiste gestalten, indem sie die Bildchen nach eigener Vorstellung darauf klebte.
Eine solche Kiste von einer Raucherin namens Lotte wurde am Mittwoch, den 25. April 2025 bei „Bares für Rares“ versteigert, zusammen mit einem ganzen Konvolut noch unbenutzter Holzbilder. Experte Sven Deutschmanek, der die Holzbildchen für gut 20 Jahre älter hielt, als sie tatsächlich sind, hatte das Ganze auf bis zu 150€ geschätzt. Händler Waldi erwarb das Los für immerhin 180€.


Zigarettenbilder wurden bereits ab den 1920er Jahren zum Massenphänomen. Garbáty verstand dieses Medium meisterhaft: Die Serien „Gallery of Modern Beauty“, „Schienenwunder“, „Deutsche Heimat“ und „Sport-Wappen“ verbanden Lifestyle mit nationaler Selbstvergewisserung – und machten das Rauchen zum identitätsstiftenden Akt.
Global vernetzt – von Berlin bis Russland
Schon vor dem Ersten Weltkrieg war Garbáty international vertreten: in Europa, Amerika, Asien und den damaligen Kolonien. Besonders beliebt waren die „Garbáty Papirossi“ in Russland – eine Referenz an die osteuropäischen Wurzeln der Familie. 1928 kam die besonders erfolgreiche Marke Kurmark hinzu.
Auch als kaiserlicher Hoflieferant und Zulieferer der italienischen Regierung bewies das Unternehmen seine internationale Klasse.
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten begann das Ende des Familienunternehmens: 1935 Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft, 1938 die Zwangsenteignung. Der Betrieb ging an Reemtsma und die Koerfer-Gruppe. Der Firmenname verschwand, ebenso das Schloss Altdöbern, das Erholungsdomizil der Familie.
Zwangsverkauf und Exil
Josef Garbáty blieb bis zu seinem Tod 1939 in seiner Villa in Pankow. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee beerdigt. Die Betreuerin Sophie Boroschek, die ihn bis zuletzt pflegte, wurde 1943 im KZ Natzweiler-Struthof ermordet.

Die Tabakproduktion wurde unter sowjetischer Verwaltung wieder aufgenommen, das Werk bald zum VEB Garbáty. Später ging es in der Berliner Zigarettenfabrik Bezifa auf – der Name Garbáty verschwand. Zigarettenmarken wie Cabinet, Club oder Karo wurden zum Aushängeschild der DDR-Nikotinwirtschaft.
Nach dem Krieg – ein schwelendes Erbe
Erst nach der Wende kam Bewegung in das Erbe: Die Produktionsanlagen wurden abgebaut, das Fabrikgelände 2012 in Wohnraum umgewandelt. Die Villa Garbáty geriet 1998 durch den Erwerb eines Rechtsextremisten in die Schlagzeilen – heute ist sie Sitz der libanesischen Botschaft.
Der Name Garbáty lebt dennoch weiter: Im Jahr 2000 wurde der Vorplatz des S-Bahnhofs Pankow in Garbátyplatz umbenannt, zwei Jahre später der Schriftzug „Garbáty“ als Kunstinstallation angebracht. Und das ehemalige jüdische Waisenhaus neben der Fabrik ist heute wieder ein Ort der Kultur – unterstützt vom Enkel Thomas Garbáty, der in den USA lebte.
Infobox: Josef Garbáty-Rosenthal
- Geboren: 27. Juni 1851, Lida (heute Belarus)
- Gestorben: 29. Juni 1939, Berlin-Pankow
- Beruf: Zigarettenfabrikant, Sozialunternehmer
- Gründer: Garbáty Zigarettenfabrik
- Familie: Ehefrau Rosa Rahel, zwei Söhne (Eugen, Moritz)
- Emigration: Familie floh 1939 in die USA, Josef blieb bis zu seinem Tod
- Besonderheit: Mäzen, früher Sozialunternehmer, Pionier der Tabakwerbung
- Ehrung: Garbátyplatz in Berlin-Pankow
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