„Yenidze“: Hugo Zietz und seine „Tabakmoschee“

Im Herzen von Dresden steht ein Bauwerk, das orientalische Architektur mit deutscher Industriegeschichte auf eine faszinierende Weise vereint: die Yenidze. Hinter dieser außergewöhnlichen Zigarettenfabrik im Stil einer Moschee steckt Hugo Zietz, ein Kaufmann, Visionär und Unternehmer, dessen Lebenswerk nicht nur die Tabakindustrie prägte, sondern auch Dresdens Architekturgeschichte bereicherte.

Christian Bernhard Carl Hugo Zietz, geboren 1857, kam 1886 mit seinem Vater nach Dresden, um dort seinen Traum von einer „Orientalischen Tabak- und Cigarettenfabrik“ zu verwirklichen. Mit wenig mehr als einer Geschäftsidee und viel unternehmerischem Elan eröffnete Zietz sein erstes Geschäft in der Wallstraße.

Emailschild Salem mit Ansicht der Yenidze-Zigarettenfabrik. Hergestellt bei Boos & Hahn, ca. 59 cm x 40 cm groß. Das Schild erzielte anlässlich der Pari-Auktion vom 2. November 2024 einen Preis von 6.000€ zzgl. Provision. (Bild: Pari-Auktionen

Der Name seiner Marke, Yenidze, stammt von einer Stadt im damaligen Osmanischen Reich (heute Nordgriechenland), von der er seine Tabaklieferungen bezog und bedeutet übersetzt „Neues Land“.

Zietz, der als Konsul für das Königreich Bulgarien tätig war und 1913 den Titel eines königlich-sächsischen Kommerzienrates erhielt, dachte größer als die meisten seiner Zeitgenossen. Bereits in den ersten Jahren seiner Firma erweiterte er kontinuierlich seine Betriebsstätten und eröffnete mehrere Zweigstellen in der Stadt. Doch es war sein visionäres Bauprojekt, die Yenidze-Fabrik, die ihn unsterblich machen sollte.

Vision und Realität

Das Bauprojekt an der Weißeritzstraße begann 1907 und sollte eine der modernsten Zigarettenfabriken Deutschlands werden – ein Gebäude, das nicht nur die Funktionalität einer Fabrik in sich trug, sondern auch als imposante Werbung diente.

„Salem Aleikum Cigaretten“, Emailschild um 1910, 30 x 60 cm, produziert im Emaillierwerk Peters in Elberfeld. Das Schild wechselte anlässlich der Versteigerung der Sammlung Körber in Worms im März 2023 für 8.000€ zzgl. Provision den Besitzer. (Bild: Wormser Reklame-Auktion)

Da das Fabrikgebäude mitten in Dresden stand, musste es sich gemäß den städtischen Bauauflagen von einer typischen Industrieanlage abheben. Architekt Martin Hammitzsch entwarf deshalb eine Fassade im Stil des Historismus, die sich an sakralen Elementen der muslimischen Architektur orientierte.

Die Yenidze erhielt ein prunkvolles Portal, farbenfrohe Glasfenster, eine 62 Meter hohe Kuppel und ein minarettartiges Schornstein-Design. Dieses Bauwerk, das erste Stahlbetonskelett-Gebäude Deutschlands, erzeugte den Anschein einer Moschee und zog die Aufmerksamkeit nicht nur in Dresden, sondern im ganzen Land auf sich.

Die einstige Zigarettenfabrik Yenidze von Süden aus gesehen (Bild: Michael Kranewitter)

Zietz setzte nicht nur auf außergewöhnliches Design, sondern auch auf moderne Arbeitsbedingungen, die zu seiner Zeit bahnbrechend waren. In der Yenidze wurden erstmals Zentralheizungen, Lufterneuerungsanlagen und Entstaubungssysteme installiert, und für die Arbeiter gab es Waschräume, einen Speisesaal für über 1.000 Personen und Ruhebereiche für Pausen.

„Moderne“ Arbeitsbedingungen

Zietz führte außerdem eine „englische Arbeitszeit“ ein, was den Arbeitern eine kurze Mittagspause im Betrieb ermöglichte – eine Seltenheit im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts.

Ein Speisesaal bot günstige Mahlzeiten, und für jene, die ihr Essen selbst mitbrachten, gab es Dampfwärmeapparate zur Erhitzung. Ruhehallen, Sofas und Liegestühle ermöglichten den Arbeitern eine erholsame Pause, und es gab sogar eine Fabrikfeuerwehr und eine eigene Lebensversicherung für Angestellte.

Diese Arbeitsbedingungen waren Ausdruck von Zietz‘ Engagement für die Verbesserung der Lebensqualität seiner Beschäftigten, und sie zeigten, dass er ein visionärer Unternehmer war, der die Bedürfnisse der Menschen hinter der Arbeit sah.

1925 verkaufte Hugo Zietz schließlich seine Zigarettenfabrik an den Reemtsma-Konzern und teilte den Erlös auf Konten in ganz Europa. Er lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1927 auf seinem Sommersitz am Weißen Hirsch in Dresden. Heute ist die Yenidze unter Denkmalschutz gestellt und beherbergt Büroflächen sowie eine Gastronomie.

Der Yenidze-Schriftzug an der prachtvollen Glaskuppel (Bild: Jörg Blobelt)

Die spektakuläre Glaskuppel dient heute als Ort und verleiht der Stadt Dresden ein markantes Symbol, das Vergangenheit und Gegenwart auf eindrucksvolle Weise verbindet.

„Salem Aleikum“ und „Salem Gold“

Hugo Zietz verstand, dass das Geheimnis des Erfolgs nicht nur in der Qualität des Produkts lag, sondern auch in dessen Präsentation und Vermarktung. Die Dresdner Yenidze war mehr als nur eine Fabrik: Sie war das Symbol für exotischen Tabakgenuss und wurde mit einem unverkennbaren Markenimage verbunden, das Sehnsucht nach der Ferne und dem Orient weckte.

Mit geschickter Markenstrategie und innovativen Werbemaßnahmen schuf Zietz eine Verbindung zwischen seinen Produkten und den Fantasien der Kundschaft.

Die Hauptmarken „Salem Aleikum“ und „Salem Gold“ waren das Herzstück der Yenidze-Produktion. Diese Zigarettenmarken wurden sorgfältig entwickelt, um das exotische und luxuriöse Image zu verkörpern, das Zietz für seine Marke anstrebte.

Imposantes, 185 Zentimeter breites Glasschild mit Reklame für die beiden „noblen“ Yenidze-Zigarettenmarken Salem Gold und Salem Aleikum. Um 1900. Verkauft bei Micky Waue im Mai 2021 für 2.400€ zzgl. Provision. (Bild: Micky Waue)

1910 erhielt Zietz Besuch vom sächsischen König Friedrich August III., der sich beeindruckt von der modernen Fabrik zeigte. Die hochwertigen Zigarettenmarken „Salem Aleikum“ und „Salem Gold“ brachten Zietz 1911 einen sächsischen Staatspreis sowie eine Goldmedaille bei der Ostdeutschen Ausstellung in Posen ein. In den Spitzenzeiten beschäftigte die Yenidze-Fabrik über 2.000 Arbeiter.

Die Zigarettenproduktion: Tradition und Moderne

Der Name „Salem Aleikum“ (abgeleitet von dem arabischen Gruß „Salam Aleikum“ – „Friede sei mit dir“) betonte die Verbindung zum Orient und suggerierte ein exotisches, mystisches Raucherlebnis. „Salem Gold“ hingegen stand für eine Premium-Variante, die durch besonders hochwertige Tabake aus dem nördlichen Griechenland bestach.

Die Yenidze bot ein breites Spektrum an Produkten, um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Der Tabak wurde in Ballen angeliefert und im Haus selbst aufbereitet, ein Prozess, der unter strengen Qualitätskontrollen ablief. Hochwertige Sorten wurden sorgfältig von Hand gerollt, während günstigere Varianten maschinell hergestellt wurden.


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Die Produktionskapazitäten der Yenidze waren beeindruckend: Handwerkerinnen konnten in einer neunstündigen Schicht bis zu 2.000 Zigaretten fertigen, während Maschinen täglich bis zu 200.000 Stück produzierten. Diese Kombination aus handwerklicher Präzision und industrieller Effizienz machte die Yenidze zu einer der fortschrittlichsten Zigarettenfabriken ihrer Zeit.

Markenimage: Kunst der Inszenierung

Hugo Zietz setzte auf außergewöhnliche Werbemaßnahmen, um seine Produkte in Szene zu setzen. Die Architektur der Yenidze selbst war die wohl beeindruckendste und innovativste Reklame: Die riesige „Tabakmoschee“ mit ihrer imposanten Glaskuppel und den orientalischen Elementen diente nicht nur als Produktionsstätte, sondern auch als Werbemonument.

Eindrucksvolles, großes Reklameplakat (ca. 120 x 90 cm) „Yenidze-Damencigarette Calife de Bagdad“. Dieses Exemplar wurde im Juli 2022 bei der 42. Reklameauktion Micky Waue in Friedrichsdorf für 3.600€ zzgl. Aufgeld versteigert. (Bild: Micky Waue)

Darüber hinaus nutzte Zietz die fortschrittlichsten Werbemethoden seiner Zeit. Plakate, die mit orientalischen Motiven und Schriftzügen spielten, schufen ein Bild von fernen Ländern und exotischem Genuss, das potenzielle Kunden faszinierte. Werbeanzeigen in Zeitungen und auf Reklameschildern zeigten die ästhetisch gestalteten Verpackungen der Zigaretten, die mit goldenen Schriftzügen und luxuriösen Designs auf Hochwertigkeit und Exotik setzten.

Auch heute bei Sammlern viel gesuchte Blech-, Glas- und Emailschilder mit ansprechenden Motiven wurden eingesetzt, um das Erlebnis des Tabakgenusses mit einer imaginären Reise in den Orient zu verbinden.

Wegweisend in Sachen Tabakreklame

Zietz bemühte sich, die Marke Yenidze nicht nur national, sondern auch international zu etablieren. Er beauftragte Paul Ockert, einen Exportvertreter aus Hamburg, der die Marke in verschiedenen Ländern bekannt machte und Kontakte zu internationalen Tabakmärkten knüpfte.

Durch diesen Schritt konnte Yenidze zu einer Marke mit internationalem Renommee werden, die weit über die Grenzen Sachsens hinaus als Symbol für exotischen Tabakgenuss bekannt wurde.

Durch diese umfassenden Werbestrategien verwandelte Zietz die Yenidze-Zigaretten in mehr als ein Konsumprodukt: Sie wurden zu einem Statussymbol. Die Vorstellung von Luxus, Exotik und Fernweh, die Zietz mit seiner Marke verband, war wegweisend für die deutsche Tabakwerbung der Zeit.


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