Die Berliner Bierszene ist reich an Traditionen, doch kaum eine Marke hat die Hauptstadt so geprägt wie das Berliner Kindl. Die Geschichte dieser Brauerei ist ein Spiegelbild der Berliner Wirtschaft und Kultur – mit Höhen und Tiefen, Innovationen und einem unverkennbaren Markensymbol, das von einem Grafiker namens Georg Räder stammt.

Am 1. Februar 1872 schlossen sich acht visionäre Unternehmer zusammen, um die „Vereinsbrauerei Berliner Gastwirte zu Berlin AG“ zu gründen. Ihr ambitioniertes Ziel: ein untergäriges Bier nach bayerischer Art zu brauen – in einer Zeit, in der Norddeutschlands Klima diese Brauart vor erhebliche Herausforderungen stellte.
Dennoch wagten sie den Schritt und setzten auf modernste Technik und innovative Kälteverfahren. Bereits ein Jahr nach der Gründung flossen die ersten Liter goldenes Bier aus den Zapfhähnen.
Mit einer erfolgreichen Umbenennung zur „Vereinsbrauerei Rixdorf“ konnte die Produktion bis 1890 auf beeindruckende 100.000 Hektoliter gesteigert werden. Doch erst einige Zeit später sollte eine Kreation entstehen, die Geschichte schreiben sollte: das Berliner Kindl.
Der Name „Berliner Kindl“ war von der populären Wappenfigur Münchens, dem „Münchner Kindl“, inspiriert. Genau so wie das Bier von dem aus Bayern inspiriert war. 1907 erhielt das Berliner Kindl seine bis heute unverwechselbare Gestalt – dank des Grafikers Georg Räder.
Ein Wappenkind wird geboren
Dieser gewann einen Wettbewerb zur Neugestaltung des Markenlogos und schuf den ikonischen „Goldjungen im Krug“, der bis heute als Sinnbild für das Berliner Kindl steht. Seine Gestaltung traf genau den Zeitgeist des beginnenden 20. Jahrhunderts: verspielt, charmant und doch mit einem starken Wiedererkennungswert.
Mit seiner Arbeit prägte Räder das visuelle Erscheinungsbild der Marke nachhaltig und verlieh ihr eine Persönlichkeit, die bis heute mit Berliner Braukunst assoziiert wird. Das Kindl prangte schon bald nicht nur auf Flaschen-Etiketts und auf Gläsern und Krügen, sondern auch auf Blech- und Emailschildern in den diversesten Formaten. Man sah es an Litfaßsäulen, in Magazinen und Zeitungen, …

Drei Jahre nach dem Wettbewerb, 1910, nannte sich die Vereinsbrauerei in „Berliner Kindl Brauerei AG“ um. Dank der zunehmenden Popularität des Berliner Kindl konnte die Brauerei damit beginnen, kleinere Konkurrenten aufzukaufen – eine Strategie, die vor allem in den „Goldenen Zwanzigern“ Fahrt aufnahm.
Doch der Erste Weltkrieg setzte dem Wachstum ein jähes Ende. Mangel an Rohstoffen und Personal bremsten die Produktion. Nach dem Krieg und trotz der Weltwirtschaftskrise konnte sich die Brauerei jedoch stabilisieren.
Wiederaufbau und Expansion
In den 1930er-Jahren erhielt das Unternehmen das Siegel „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“ – eine dunkle Episode in der Unternehmensgeschichte. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Produktionsstätten schwer getroffen, doch mit viel Improvisation und Berliner Erfindergeist gelang es, die Brauerei am Leben zu halten.
Nach dem Krieg fielen Teile der Brauerei an die DDR, während West-Berlin mit Krediten und Marshallplan-Hilfe den Wiederaufbau forcierte.
1972 konnte das Unternehmen, das in den 1950er-Jahren bereits in den Besitz der Oetker-Gruppe übergegangen war, zum 100-jährigen Jubiläum wieder die Marke von einer Million Hektoliter erreichen.

Nach der Wiedervereinigung kehrten ehemalige Standorte in den Brauereiverbund zurück. Doch mit der Jahrtausendwende folgten Schließungen und Restrukturierungen. 2005 wurde die Berliner Kindl Brauerei in Neukölln geschlossen, die Produktion nach Alt-Hohenschönhausen verlagert.
Tradition trifft Moderne
Trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen hat sich Berliner Kindl als fester Bestandteil der Hauptstadt etabliert. Mit einem breiten Sortiment, das von der legendären Berliner Weisse bis zum klassischen Pils reicht, bleibt die Brauerei ein wichtiger Akteur auf dem deutschen Biermarkt.
Georg Räders ikonische Figur des Berliner Kindl prangt bis heute auf jeder Flasche – ein Symbol für Brautradition und Berliner Lebensgefühl. Der kleine Goldjunge ist längst mehr als nur ein Markenzeichen – er ist ein Stück Berliner Identität.

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